Wie die Zürcher Katholiken für ihre Kirchen kämpften

Seit 1863 dürfen die Zürcher Katholiken ihren Glauben frei ausüben. Seither sind 117 Kirchen entstanden. Ein Buch dokumentiert sie alle.

Thomas Ribi
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Bis in die jüngste Zeit sind im Kanton Zürich neue katholische Kirchen gebaut worden. 1992 zum Beispiel St. Katharina von Siena in Fällenden von Peter Brader und Urs Nüesch. (Bild: Stephan Kölliker)

Bis in die jüngste Zeit sind im Kanton Zürich neue katholische Kirchen gebaut worden. 1992 zum Beispiel St. Katharina von Siena in Fällenden von Peter Brader und Urs Nüesch. (Bild: Stephan Kölliker)

Zur Messe traf man sich im Säli, im Restaurant «Zum Bahnhof». Und das während Jahren. Eine Kirche gab es in Bonstetten nicht, zumindest keine katholische, und man war froh, als die Pfarrei Ende der fünfziger Jahre ein kirchliches Zentrum bekam, auch wenn es keine Kirche war. Bis die Bonstetter Katholiken eine eigene Kirche bekamen, dauerte es noch gut fünfzig Jahre. Im Juni 2016 erst wurde die Kirche St. Mauritius vom Churer Bischof geweiht. Rund zehn Jahre früher hatte man an der Stelle, wo der Bau geplant war, schon einmal einen Glockenturm errichtet.

St. Mauritius in Bonstetten ist die jüngste katholische Kirche im Kanton Zürich. Oder wenigstens fast die jüngste. Ein Jahr nach ihr wurde in Schwerzenbach St. Gabriel geweiht. Ein eigener Bau ist das allerdings nicht. Von aussen ist die Kirche gar nicht zu erkennen. Sie befindet sich in der Scheune eines um 1800 erbauten Bauernhauses im Dorfkern. Die Kirchgemeinde Dübendorf hatte es Anfang der siebziger Jahre gekauft, um es abzureissen und auf dem Grundstück eine Kirche zu bauen.

Allerdings hatte man nicht mit der Denkmalpflege gerechnet. Sie erklärte das Gebäude zum Schutzobjekt. Einigen konnte man sich nicht, es kam zu einem Rechtsstreit, der erst nach Jahrzehnten, nämlich Ende der neunziger Jahre, vom Bundesgericht entschieden wurde: zuungunsten der Kirchgemeinde. Das Haus wurde geschützt, ein Kirchenbau kam nicht mehr infrage. Aber die Gemeinde hatte sich mittlerweile mit der Situation abgefunden und errichtete ihre Kirche trotzdem: nicht an der Stelle des Bauernhauses, sondern im Haus selber – ein freundlicher, hoher Raum mit einer eindrücklichen Holzbalkenkonstruktion.

Messe feiern verboten!

Die Geschichten von St. Gabriel und von St. Mauritius sind typisch für den Bau katholischer Kirchen im Kanton Zürich. In vielen Landgemeinden spielte sich das kirchliche Leben der Katholiken jahrzehntelang unter improvisierten Umständen ab, in Gebäuden, die zum Teil nur notdürftig zu Kirchen umfunktioniert worden waren. An den Bau von richtigen Kirchen konnte man vielerorts lange nicht denken und musste jahrzehntelang warten – weil das Geld fehlte oder weil sich Grundeigentümer weigerten, Katholiken ein Grundstück zu verkaufen, zumindest wenn darauf eine Kirche gebaut werden sollte.

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war es im Kanton Zürich verboten, die Messe zu feiern. Die Erlaubnis, die 1807 erlassen wurde, beschränkte sich zunächst ausdrücklich auf die Stadt Zürich. Erst das Kirchengesetz von 1863 brachte eine Lockerung, allerdings eine moderate. Immerhin gab es ab dann vier katholische Gemeinden: Zürich, Winterthur, Dietikon und Rheinau. Öffentlichrechtlich anerkannt aber wurde die katholische Kirche erst mit dem Kirchengesetz von 1963. Erst seit damals sind die Katholiken rechtlich den Reformierten gleichgestellt, und erst seit damals darf die katholische Kirche Steuern einziehen.

Viele Sakralbauten sind mit kunstvollen Glasfenstern ausgestattet. Im Bild Paul Monniers Glasfenster in der Kirche Maria Frieden in Dübendorf (1952). (Bild: Stephan Kölliker)

Viele Sakralbauten sind mit kunstvollen Glasfenstern ausgestattet. Im Bild Paul Monniers Glasfenster in der Kirche Maria Frieden in Dübendorf (1952). (Bild: Stephan Kölliker)

Die Geschichte hat ihre Spuren hinterlassen. Auch in den Kirchen, die sich die Zürcher Katholiken seit 1863 nach und nach erst wieder bauen mussten. 117 sind es seither geworden, und sie werden nun erstmals umfassend in einem Buch dargestellt. In seinem zweibändigen Übersichtswerk «Sakrales Zürich. 150 Jahre katholischer Kirchenbau im Kanton Zürich» widmet der Zürcher Priester und Germanist Markus Weber jeder katholischen Kirche im Kanton ein Kapitel: Er schildert die Umstände, die zum Bau führten, charakterisiert die Architektur und die Ausstattung – die Glasfenster zum Beispiel oder Wandbilder – und würdigt die kunstgeschichtliche Bedeutung der Anlage. Illustriert sind die Bände mit Bildern des Fotografen Stephan Kölliker: Sie dokumentieren die Gebäude nicht nur, sondern fangen auch etwas von der Stimmung ein, welche die Räume bestimmt. Auf einer eigenen Website sind die Texte und die Bilder auch online abrufbar.

1 Museum gegen 1 Kirche

Von St. Peter und Paul in Winterthur, der ersten neuen Kirche im Kanton, die 1868 geweiht wurde, führt Markus Weber chronologisch durch die katholische Kirchenlandschaft – und bietet damit mehr als nur eine Geschichte der sakralen Architektur Zürichs. In jedem Bau spiegelt sich ein Stück Geschichte, und manchmal sind es Details, an denen sich zeigt: Es ist noch nicht lange her, dass die reformierte Mehrheit den Katholiken gegenüber mehr als reserviert auftrat.

Nicht immer fügte sich alles so glücklich wie bei der Liebfrauenkirche. Dass sie gebaut werden konnte, ist einem guteidgenössischen Kuhhandel geschuldet. Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts bemühte sich Zürich, Standort des geplanten neuen Landesmuseums zu werden. Luzern, Basel und Bern waren die Konkurrenten, und sie hatten intakte Chancen. Es galt, Mehrheiten zu schaffen. Und da kam es nicht ungelegen, dass die Stadtzürcher Katholiken ein Grundstück suchten.

St. Peter und Paul, die damals einzige katholische Kirche der Stadt, war viel zu klein geworden. Der Stadtrat bot den Katholiken ein schön gelegenes Areal auf einer Anhöhe über der Limmat zum Kauf an – wenn sich die katholischen Stände im Streit um das Landesmuseum für Zürich einsetzen. Es kam wie gewünscht: Zürich erhielt das Museum, die Zürcher Katholiken die Erlaubnis, unterhalb der ETH die nach dem Muster einer frühchristlichen Basilika geplante Liebfrauenkirche zu bauen. Übrigens eine besondere Kirche, noch heute: Falls Zürich je zum eigenen Bistum werden sollte, wird der Bischof dort residieren, das steht bereits fest.

Markus Weber / Stephan Kölliker: Sakrales Zürich. 150 Jahre katholischer Kirchenbau im Kanton Zürich. Verlag Artaphot.ch, Zürich 2018. 2 Bde., zus. 640 S., zahlreiche Farbabbildungen. Fr. 49.–. Bestellungen beim Autor über: sakralbauten@bluewin.ch. Website zum Buch: www.sakralbauten.ch.